Julian Stalter (Hg.), Julia Wittmann (Hg.)
Eine Kooperation des Instituts für Kunstgeschichte der LMU München und der AdBK München: colophon-magazin.de
Gefördert vom Freundeskreis des Instituts für Kunstgeschichte, dem Akademieverein, dem Institut für Kunstgeschichte und der Akademie der Bildenden Künste.
Mit Beiträgen von
Anastasia Akhvlediani, Mandana Behdad, Hannah Brader, Liliana Brenner, Elias da Costa, Sarah-Lena Hilmer / Sarritah, Lisa Holzapfel, Lee Kern, Johanna Klose, Hannah Krause, Lara Nitzsche, Kiernan Ostertag, Theresa Peter, Camilla Prey, Christina Quach, Hannah Sperandio, Julian Stalter, Moritz Segura, Lara Umlauf, Julia Anna Wittmann und Mengzhi Zhang.
Grafik: Carina Müller, studio MLLR
colophon. Magazin für Kunst und Wissenschaft
2025, 48 Seiten, DIN A4, Hülle 320 x 230 mm, 35 Abbildungen, Ringheftung
ISSN: 2747-9455
ISBN: 978-3-88960-252-7
Preis: 12,00 €
„Die Natur fürchtete, von ihm übertroffen zu werden, so lange er lebte, und als er starb, bangte sie, mit ihm zu sterben."
Das Epitaph auf Raffaels Grabmal im Pantheon ruft – etwas pathetisch – den kunsthistorischen Topos des göttlichen Künstlers, ‚divino artista’, auf. Ausgestattet mit schöpferischer Kraft tritt er in Konkurrenz zur Natur selbst, da er imstande ist, eine vollkommenere Welt auf der Leinwand entstehen zu lassen. Gesegnet mit einem Funken der göttlichen Kraft, die das Universum entstehen ließ, wird der ‚deus artifex’ oder Demiurg als Weltenbauer Prototyp für das Erschaffen von künstlerischen Welten und Universen.
Ganz ohne religiösen Überbau, aber mit vergleichbaren Anspruch, reflektieren zeitgenössische Künstler:innen das Weltenbauen heute offen als Aspekt der eigenen Praxis. So können in einem Kunstwerk ganze Welten angelegt sein, die eigenen Wertesystemen und Mythen folgen, eigene soziale Ausdifferenzierungen kennen und sich oftmals auch nicht mehr in epistemologische Kategorien wie ‚Mensch’ und ‚Natur’ trennen lassen. Dieser neu erschaffene Kosmos birgt ein großes emanzipatorisches Potenzial, definiert er doch eigene Gesetze und Logiken, die im Foucault'schen Sinne aus dem Kunstwerk eine „Heterotopie“ entstehen lassen.
Mit den digitalen Technologien und der Möglichkeit, Raum in virtuellen Sphären zu schaffen, eröffnen sich mannigfaltige Chancen für das ‚Worlding’. Der Künstler Ian Cheng begreift ‚Worlding’ als „unnatural art [of] choosing a present, storytelling its past, and simulating its futures.“ In Computerspielen und Simulationen, wie sie von Alice Bucknell oder Adrián Villar Rojas gestaltet werden, entstehen komplexe Universen, die mit emergenten Eigenschaften ausgestattet sind und sich ständig im Wandel befinden. Die Schöpfer:innen werden hier quasi zu unbewegten Bewegenden; die Welt selbst entwickelt sich ohne ihr Zutun weiter und wird so zu einem autonomen, nicht endenden Kunstwerk. Gleichzeitig können die Betrachtenden mit diesen artifiziellen Welten interaktiv agieren und in technisch simulierte Kosmen eintauchen.